Der Barde

Seine überlieferten Gesänge bergen die Kunde, "daß er überall dabei war, daß er alle wichtigen Weltereignisse miterlebte und daß er auch in Zukunft allgegenwärtig sein werde" (Ingeborg Clarus). In der Tat wird nirgends von seinem Tod berichtet, allenfalls von seiner Anwesenheit in Avalon, als er zusammen mit Morgan le Fay mit einem Boot nach Camlann übersetzt, um den tödlich verwundeten Artus mit nach Avalon (Anderswelt) zu nehmen.
Seine mythische Persönlichkeit entsprach der druidischen Deutung der Gestalt des Dreiköpfigen: er besäße die absolute Weisheit, da er sowohl die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft immer im Blick habe.
Die 3 kommt noch einmal wieder, als Taliesin von sich behauptet, er wäre dreimal wiedergeboren. Zum Ersten als Gwion-Bach, dann als Sohn der in Form einer alten Hexe auftretenden Naturgöttin Cerydwen. Zum Dritten aus dem Lederbeutel, in den Cerydwen in eingebunden und ins Meer geworfen hatte, bis ihn dann Elphin als glückloser Fischer aus dem Wasser zog. Sie kommt noch einmal vor in den 9 Tagen (3x3), die er als Säugling im Meer getrieben hat.
Dreimal wiedergeboren mit einem dreifach erweiterten Erfahrungshorizont, ein Weiser und ein Mann des Wortes, kein Held und Kämpfer. Taliesin erscheint als Figur dreimal "menschlicher" als sein späterer mythologischer Freund und Lehrmeister Myrddin.
Taliesins Gedichte handelten meist von den Kämpfen seiner Helden gegen die angelsächsischen Feinde, welche ihre Königreiche entlang der Ostküste aufbauten. Er gilt als Schöpfer vieler Heldengesänge, die erst in seinen späteren Lebensjahren entstanden, wie etwa „Cad Goddeu“, der Schlacht der Bäume, seine "Erlebnisgesänge über seine eigene Person" sowie die Lobgesänge auf Urien und dessen Sohn Owain. Viele der ihm zugeschriebenen Gedichte sind offenbar authentisch und gelten als die ältesten Erzählungen, die in einer lebenden europäischen Sprache verfasst wurden.


Seine tatsächliche Existenz wird kaum geleugnet. Was schwieriger, gar fast unmöglich zu belegen ist, scheint seine Herkunft und seine Wirkungszeit zu sein. Er könnte aus Powys stammen (G. Ashe), einem alten walisischen Königreich (mit noch heue gleichnamigem Ort), das später zum Königreich Gwynedd von Hywel Dda kam. Vermutet wird auch, dass er aus der Region und dem Herrschaftsbereich Rheged, mit dem die fünf Pioniere des walisischen Bardentums gerne in Verbindung gebracht werden, herstammen könnte. Seine mythologische Abstammung und Herkunft als wiedergeborener Sohn der Keridwen sowie die rätselhaften poetischen Anspielungen auf Orte, Daten und Epochen, in denen er gelebt, bzw. gewirkt haben soll, lassen viele Deutungen zu, verwirren aber auch dementsprechend. Ohnehin wird sein Rätsel, das er Maelgwn vortrug, nicht ihm zugeschrieben, obwohl es nachweislich sehr alt ist. Die Behauptung, jenes Rätsel sei nicht seinem Genius entsprungen wird von einigen Taliesinferventen bestritten. Sie behaupten, dass in diesem Rätsel in Wirklichkeit eine kryptographische Botschaft für die Nachwelt enthalten sei.


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